Weihnachten mit einem unerfüllten Kinderwunsch
Weihnachten. Das Fest der Liebe war jahrelang auch ein Drahtseilakt für uns. Die Feiertage lassen einen unerfüllten Kinderwunsch nämlich noch einmal so richtig hochkochen.
Täglich liest man Texte über leuchtende Kinderaugen. Über die schönsten Kinder-Weihnachtsbücher. Wichteltüren. Den Zauber, den man als Erwachsener nicht mehr so richtig spüren kann.
Täglich redete ich mir rational zu, dass der Advent und Weihnachten mit Kindern sicher sehr anstrengend ist. Ich rede mir ein, ich sollte die Ruhe genießen. Aber manchmal war und ist genau diese Ruhe so ohrenbetäubend laut, dass ich sie nicht mehr ertragen kann. Besonders schlimm war es im Jahr 2020, das Ablenkung außer Haus quasi unmöglich machte.
Ich konnte und kann es selbst manchmal nicht so richtig nachvollziehen, warum ich mir genau das so sehr wünschte. Warum ich mich nicht einfach vollständig fühlen konnte. Ein entspanntes Leben führen kann, um das mich offenbar so manche Mutter beneidet – zumindest entnehme ich das den Nachrichten und Kommentaren, die ich ab und zu bekommen, in denen mir Mütter schreiben, ich solle meine Freiheit genießen.
Aber ich wünschte mir Leben im Haus. Trubel. Ich wünschte mir, Mutter zu sein. Wünschte mir, den Mann an meiner Seite als Papa zu sehen. Weil es einfach eine Verschwendung ist, dass er es nicht werden durfte.
Ich wünschte mir, mich nicht mehr wie ein Alien zwischen all den Familien zu fühlen. Ich wünschte mir, dass das »Familie Burck« auf dieser Kugel, die unsere Schwägerin für uns bemalte, für mehr steht, als für uns beide. Ich wünsche mir bis heute, das Fest der Liebe bei uns auszurichten und mit unseren Traditionen zu füllen, statt woanders Gast zu sein. Ich wäre gerne die Wichtel-Geschichten ausdenkende, Plätzchen-backende und Kakao-servierende Mama geworden.
Weihnachten. Jahrelang das Fest, an dem ich „Hoffentlich sitze ich im nächsten Jahr schwanger oder mit Baby unter dem Baum“ dachte. Wenn ich ehrlich bin, bin ich dankbar, dass diese Jahre des Hoffens vorbei sind. Dass heute klar ist, dass ich weder schwanger werden darf, noch die Kriterien für eine Adoption erfülle. Dass Anfang letzten Jahres ein Schlusstrich gezogen und mit dem Verarbeiten angefangen werden konnte.
2020 feierten wir also das letzte Weihnachten, an dem wir noch hofften. Ich erinnere mich gut, wie wir den Heiligabend zu zweit verbrachten und wie wir uns nach der Bescherung wie so viele Male zuvor und auch danach wegen unseres Kinderwunsches und wie wir beide damit umgingen, in die Haare bekamen. Ich erinnere mich, wie ich mich leise in den Schlaf weinte. Wie verzweifelt ich war.
»Rückblickend wird das eine der schlimmsten und herausforderndsten Zeiten unseres Lebens sein. Und so darf es sich mittendrin auch anfühlen.« Das war der Satz, den ich mir mantraartig immer wieder selbst sagen musste, wenn ich das Gefühl hatte, an meiner Trauer zu ersticken. Wenn ich sie einfach nur wegdrängen und eine fröhlichere Maske aufsetzen wollte. Eine Maske, die dem Außen und Innen eine Version von mir vorgaukeln sollte, die alles mit Fassung trug. Eine geschauspielerte Version, die wunderbar klar kommt.
Am Ende war es das zulassen, dass mich aus diesem tiefen Loch holte. Das zulassen, das wir an Weihnachten traurig sind, das leise Weinen alleine im Bett, das darüber reden, wie schrecklich sich alles anfühlt. Es war die Erlaubnis, sich scheiße zu fühlen. Weil ein unerfüllter bzw. in unserem Fall unerfüllbarer Kinderwunsch einfach etwas wirklich Schlimmes und Trauriges ist.
Und heute? Heute suche ich die Weihnachtsgeschenke für eine stattliche Anzahl an (Wahl)Nichten und -Neffen in meinem Umfeld aus, ohne dass mir die Tränen in Strömen über die Wangen laufen. Heute freue ich mich auf Weihnachten mit unseren Neffen und unserer Nichte. Heute gehe ich voll auf in meiner Rolle als Tante Nadine. Heute tut es nur noch manchmal weh. Dann begrüße ich die Tränen so wie ich eine weinende Freundin begrüßen würde. An Weihnachten und an jedem anderen Tag.
Lass es dir gut gehen! Und wenn du gerade mittendrin steckst: es kann besser werden! Lass zu, dass es jetzt gerade scheiße ist. Es ist ok!
Nadine
Anke
Ein sehr schön geschriebener Beitrag, den ich gut nachvollziehen kann. Freu mich für Dich, dass Du einen Weg gefunden hast damit umzugehen. Am meisten freut mich, dass solch ein Thema zu Weihnachten Platz in einem Blog findet. 👍 Dir alles Gute.