Wie es wirklich ist, von dem zu leben, was man liebt // Interview mit Jeannette Mokosch
Es ist so schön, zu sehen, wie gerne ihr meine #Jobliebelei-Interviews lest. Vor allem ist es auch für mich immer wieder schön, die Antworten dieser Frauen zu lesen, die wie ich jeden Tag auf´s Neue versuchen, ihren Weg zu justieren. Heute habe ich meine Fragen an Jeannette Mokosch gestellt, die sich als Autodidaktin in den Bereichen Kalligrafie und Grafikdesign selbstständig gemacht hat. Ich mag es sehr, dass Jeannette so bei sich ist und vor allem ihren unverwechselbaren Stil. Aber jetzt zu ihr:
Hallo Jeannette erzähl meinen Lesern doch bitte zuerst Mal ein klein wenig über dich: wer bist du? Wofür schlägt dein Herz? Und womit verdienst du deinen Lebensunterhalt?
Ich bin so dankbar, liebe Nadine, dass ich Dich ein wenig in meine künstlerische Welt mitnehmen darf. Mein Name ist Jeannette und eine kleine Kalligraphie-Feder hat mein Leben auf den Kopf gestellt. Tatsächlich hat alles mit dem Schreiben von einfachen aber mutmachenden Texten und Gedichten begonnen. Immer, wenn ich etwas in mir verarbeiten möchte, greife ich zu einem meiner 1000 Notizbücher und schreibe die Gedanken nieder. Mein Herz schlägt für sinnliches Design und für Inhalte überhaupt. Wenn ich etwas nicht tun möchte, dann ist es noch ein weiteres überflüssiges Konsumprodukt zu erschaffen, dass keine Botschaft hat oder nicht einläd, etwas tiefer im Innersten zu graben.
Mein abwechslungsreicher Alltag besteht momentan aus fröhlichen Workshopabenteuern, Designaufträgen, Branding für Kunden, Liebesbriefen, Hochzeiten und vielem mehr. Ach und es gibt noch meinen kleinen aber feinen Blühenden Shop, der immer vor Weihnachten sehr gut besucht ist! Wenn ich beschreiben soll, wie sich mein monatlicher Lohn zusammensetzt, dann kann das schonmal kompliziert für Außenstehende wirken.
Seit wann machst du das, was du liebst, beruflich und was war der ausschlaggebende Grund dafür, diesen Schritt wirklich zu gehen?
Als ich im Jahr 2013 meinen kleinen Shop bei DaWanda eröffnete, merkte ich, dass es gar nicht so einfach ist, persönliche Texte sinnlich und mit Würde darzustellen. Ich lag nachts wach und hatte plötzlich diese Idee, mit der Feder schreiben zu müssen. Nur, dass das alles nicht so einfach ist, wie gedacht, war mir zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst, denn der Handlettering- und Kalligrafietrend hat Deutschland damals noch nicht erreicht und ich fand so wenig Tipps und Anleitungen. Ich habe mich und meine Ergebnisse zum Glück nicht so ernst genommen und einfach weitergemacht. Das war mein Glück. Ich habe nicht aufgegeben und meine Fähigkeiten haben sich Stück für Stück verbessert!
Als ich dann Anfang 2016 gemerkt habe, dass ich bereits mehr mit den selbstständigen Tätigkeiten verdient habe, als in meinem erlernten Beruf, war ich mutig genug, um zu kündigen. Jetzt bin ich im zweiten Jahr meiner Selbstständigkeit und kann es immer noch nicht glauben, dass es funktioniert! Mit einer Feder! Das macht mich so dankbar.
Hattest du anfangs in deinem persönlichen Umfeld mit Vorurteilen oder Gegenwind zu kämpfen? Und wie steht dein Umfeld jetzt zu deinem Job?
Ehrlich? Da dies bereits mein zweiter Anlauf war, mich selbstständig zu machen, war ich auf alles vorbereitet. 2008 habe ich bereits versucht, mich mit einer kleinen Schmuckkollektion selbstständig zu machen und bin furchtbar auf die Nase gefallen. Mit Patentrechten und PiPaPo. Wir haben viel Geld investiert und ich war bald ziemlich ernüchtert von dem Gedanken, einen Traum zu verwirklichen. Die Zweifel am eigenen Talent sind schrecklich (heute weiß ich, dass es nicht am Design lag) und der Gegenwind von außen auch. Ich zeigte nach außen hin viel Selbstbewusstsein, was man tun muss, wenn man an eine Sache glaubt, aber natürlich war ich unsicher. Damals war ich für mein Umfeld der verrückte Vogel, und mit diesem Stempel auf dem Kopf war es das zweite Mal nicht mehr ganz so schwer.
An einen AHA-Moment erinnere ich mich aber, der hat mich nach meiner Niederlage wieder auf die Beine gestellt: Ich sah eine Dokumentation von den IT-Kids in Silikon Valley. Dort sagten sie, dass sie inzwischen keinen mehr ins Team aufnehmen, der nicht mit einer APP oder Idee gescheitert ist, denn das Scheitern qualifiziert Dich. Ich saß da also auf meinem Sofa und dachte: „Jeannette, Du bist qualifiziert!“
Was sind für dich persönlich die negativen Seiten an der Selbstständigkeit?
Definitiv die bürokratischen Belange. Ich bin organisiert und habe kein Problem damit, E-Mails und Rechnungen zu schreiben oder meine Website zu pflegen. Dass diese Tätigkeiten aber fast 70% meiner Arbeit umfassen, denkt man nicht, wenn man an einen kreativen Beruf denkt. Für Design schlägt mein Herz, aber nur an ca. 2 Tagen die Woche kann ich wirklich diese kreativen Dinge tun und mit der Feder schreiben. Auch Preise zu kalkulieren, ist nicht einfach für mich, denn ich denke oft, dass es mir ja Spaß macht und mir leicht fällt. Dass ich für die ‚Schrift’ aber Jahre benötigt habe, blende ich dann aus und da musste ich auch viel umdenken.
Und jetzt aber zurück zum Schönen: was ist das tollste daran, sein eigener Chef zu sein?
Ausschlafen ist das Allerschönste. Ich war und bin eine nachtaktive Eule und jeden Morgen danke ich erneut in meiner stillen Zeit dafür, dass ich nicht hetzen muss. Das mit der Eile kommt dann später am Tag, wenn ich merke, dass ich mich zeitlich vertan habe und ein Auftrag schnell raus muss.
Hand auf´s Herz: sich selbst zu motivieren, kann einem schon mal schwer fallen. Wie organisierst du deinen Tagesablauf?
Oh, da hast Du mich jetzt erwischt!! Ich bin noch lange nicht da angekommen, wo ich routinemäßig sein möchte oder kann von mir sagen, dass ich perfekt organisiert wäre. Da wir momentan noch keine Kinder haben, ist da so viel Freiheit im Tagesablauf, da braucht es ganz schön viel Disziplin.
Was ich aber schon umsetze, ist die Social-Media-Routine am Morgen nach meiner stillen Zeit, denn da habe ich noch einen klaren Kopf für Posts, dann die Routine mit dem E-Mail-Tag am Montag und dem Anfertigunstag am Donnerstag. Diese Struktur gibt mir etwas Halt. Ich versuche so viel wie möglich ähnliche Arbeiten zusammenzulegen. Abends nach den anspruchsvolleren Arbeiten packe ich dann Päckchen in meinem Shop und höre laut Musik dabei. Das ist ein bisschen wie die Party zum Feierabend! Und da sind noch meine Offline-Wochenenden, was sich immer wie Urlaub anfühlt.
Welche Frage hättest du gerne gestellt, bevor du den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt hast? Und wie lautet deine Antwort darauf?
Wie in aller Welt schaffen Künstler es, von ihren Werken (gut) leben zu können? Soviel habe ich verstanden und selbst erfahren: Sich breit aufzustellen und nicht nur die eigentliche Dienstleistung im Kopf zu haben, war für mich persönlich von entscheidendem Vorteil. Ich verdiene z.B. passiv Geld mit Hilfe von Downloads oder dem Verkauf von Lizenzen. Im Hinblick auf Elternzeit oder meine Zukunft möchte ich noch viel mehr daran arbeiten, denn das entlastet mich, wenn ich z.B. mal ein paar Wochen ausfallen sollte. Nur von den eigenen Händen abhängig zu sein, ist sehr kräftezehrend und selten profitabel.
Und zuguterletzt: welchen Rat hättest du (oder hast du) gerne bekommen, bevor du dein Glück selbst in die Hand genommen hast?
Je früher Du Dich Netzwerken von Gleichgesinnten anvertraust, desto leichter fällt Dir später der Sprung in das neue Leben! Es gibt nichts Ermutigendes, als der Austausch mit Selbstständigen, die bereits da angekommen sind, wo Du selbst hinmöchtest.
Liebe Jeannette, ich bedanke mich herzlich bei dir für das schöne, ehrliche und tiefblickende Interview und die Zeit, die du dir dafür genommen hast! Gerade der Satz „Jeannette, Du bist qualifiziert!“ ging mir unter die Haut, weil ich diesen Aha-Effekt so gut nachvollziehen kann. Wenn ich eine Krise habe, ist meine Denkweise mittlerweile komplett anders als früher. Ich sehe direkt eher, welchen Nutzen ich daraus habe, welche Fähigkeiten ich nun aus der Krise heraus entwickeln werde. Und das hilft ungemein. Deshalb habe ich die Sichtweise verinnerlicht, dass es gar nicht möglich ist, zu scheitern. Ich sammle höchstens Erfahrungen, die ich beim nächsten Versuch anwenden kann.
Habt es schön!
Nadine
Die Fotos sind von Claudia Ebeling, Alla Kronhart, Karoline Grill, Gella und Timo Scheven.
Falls ihr euch fragt, was es mit dieser Serie auf sich hat: hier könnt ihr nachlesen, um was es bei der #Jobliebelei geht.
P.S.: Falls du denkst, dass deine Geschichte zu einem Job, den du liebst, auch Mut machen könnte, meld dich bei mir! Ich freu mich auf eine kurze Mail mit dem Betreff Jobliebelei an nadine@dreierlei-liebelei.de mit einer Beschreibung, was du genau machst.
Janine
Liebe Nadine, was für ein herzliches tolles Interview. Ich bewundere Jeannette für ihren Mut, denn ich denke, dass man sich immer wieder neu erfinden muss und wahnsinnig kreativ bleiben muss, um selbstständig zu sein und damit genügend Geld zu verdienen. Danke für das Teilen. LG Janine P.S.: Ganz großer neuer Fan deiner Arbeit ;o)
Fashionqueens Diary
Ein tolles Interview und ich finde mich in vielen Punkten wieder (ausschlafen, noch immer – nach über 2 Jahren – keine so wirklich feste Routine ect.). Und dennoch kann auch ich mir keinen schöneren Job vorstellen, als täglich mein eigener Chef zu sein – auch wenn dies oft am Wochenende noch der Fall ist^^