Wie es wirklich ist, von dem zu leben, was man liebt // Interview mit Sandra von chocolate valley
Wie könnte ich bei einer Interview-Reihe über Frauen, die von dem leben, was sie lieben, eine meiner besten Freundinnen außen vor lassen? Mein Schokoladenmädchen Sandra und ich kennen uns seit der Grundschule und wir sind nicht nur privat ein gutes Team, sondern haben uns gegenseitig auch beruflich immer geholfen. Während sie ständig als Model oder Handmodel vor meiner Kamera stand und steht, habe ich ihr Corporate Design gestaltet. Wir beide haben uns immer gegenseitig unterstützt und uns mitgefreut, wenn die jeweils andere eine besonders interessante oder schöne Anfrage im Postfach hatte. Ich kenne außerdem niemanden, der so fleißig, motiviert und ehrgeizig ist, wie die Frau hinter chocolate valley. Was dieses Interview für euch besonders interessant macht: Sandra betreibt ihr mittlerweile recht stattliches Business nebenberuflich. Ihre Festanstellung hat sie nie aufgegeben, zwischenzeitlich aber in eine Teilzeitstelle umgewandelt. Wie das alles kam und funktioniert, erzählt sie euch am besten selbst.
Hallo Sandra, erzähl meinen Lesern doch bitte zuerst Mal ein klein wenig über dich: wer bist du? Wofür schlägt dein Herz? Und womit verdienst du deinen Lebensunterhalt?
Ich bin Sandra, 31 Jahre alt, lebe nahe dem schönen Heidelberg mit meinem Mann Jens und unserer Australian Shepherd Hündin Anouk. Ende August erwarten wir Nachwuchs und sind ab dann zu viert. Seit 2009 schlägt mein Herz bei Schokolade höher und ich habe mir 2011 neben meinem Beruf als Hotelfachfrau ein zweites Standbein mit chocolate valley, meinem Online Shop für besondere und besonders gute Schokoladenprodukte aus eigener Herstellung aufgebaut. Inzwischen arbeite ich nicht mehr im Hotel, habe mir einen Teilzeitjob im Büro behalten und teile meine Arbeitszeit auf mein Angestelltenverhältnis und mein eigenes Schokoladenbusiness auf. Generell schlägt mein Herz bei Qualität höher. Ich mag guten Kaffee, leckere Desserts und die kleinen Dinge des Lebens.
Seit wann machst du das, was du liebst, nebenberuflich und was war der ausschlaggebende Grund dafür, diesen Schritt wirklich zu gehen?
Mein Beruf als Hotelfachfrau hat mir immer ziemlich viel Spaß gemacht (mal abgesehen von den teilweise garstigen Arbeitszeiten) – nur der Betrieb in dem ich damals war, war für mich persönlich nicht der richtige. Ich habe damals viele verschiedene Dinge ausprobiert um die tägliche Arbeit zu kompensieren. Ich bin verreist, habe angefangen Gitarre und Klavier zu spielen, was auch alles etwas geholfen hat, aber die Arbeit war eben immer noch die selbe. Irgendwann kam dann die Schokolade dazu. Wie es dazu kam habe ich in drei Artikeln ausführlich auf meinem Blog geschrieben, das würde hier jetzt den Rahmen sprengen.
Zu Anfang war ja alles nur ein Hobby in der heimischen Küche. Ich habe mich ziemlich schnell festgebissen, weitergebildet und mir war schnell klar, dass ich meine Produkte auf ein anderes Level bringen und verkaufen möchte. Ich habe mich also informiert und 2011 meine Prüfung als Konditormeister im Bereich Confiserie bei der Handwerkskammer abgelegt. Bis dahin hatte ich auch verstanden, dass mich auch das alleine nicht glücklich machen würde. Also hatte ich bis dahin auch wieder eine Anstellung in der ich zufrieden war und zu der ich mich nicht täglich quälen musste. Gestartet habe ich dann erst einmal mit einem DaWanda Shop, bis eine eigene Homepage mit Shop hinzu kam. Ich habe regionale und überregionale Märkte und Messen getestet und meine Zielgruppe identifiziert.
Hattest du anfangs in deinem persönlichen Umfeld mit Vorurteilen oder Gegenwind zu kämpfen? Und wie steht dein Umfeld jetzt zu deinem Job?
Überhaupt nicht. Jeder fand es super toll, dass ich etwas eigenes aufbauen möchte und dabei so hartnäckig und ehrgeizig war. Das lag aber sicher auch daran, dass ich nicht direkt meinen sicheren Job gekündigt und mich komplett selbstständig gemacht habe. Ich hatte selbst gar nicht damit gerechnet, dass aus meinem kleinen Schokoladentraum mal ein richtiges Business entstehen könnte. Der Plan war eigentlich einfach kostendeckend zu arbeiten und Freude an meiner Leidenschaft zu haben – mehr hatte ich erst einmal nicht erwartet. Inzwischen macht sich mein Umfeld wohl eher Sorgen, dass ich zu viel arbeite und mich überlaste.
Was sind für dich persönlich die negativen Seiten an der nebenberuflichen Selbstständigkeit neben der Festanstellung?
Huch, da muss ich tatsächlich gerade nachdenken … hat es denn welche (für mich persönlich)? Ja, es ist eine Doppelbelastung. Man tanzt irgendwie auf zwei Hochzeiten gleichzeitig. Ich persönlich gehe in Abwechslung auf und in Gewohnheit unter. Ich habe einen ständigen Tapetenwechsel zwischen Privatleben, Festanstellung und nebenberuflicher Selbstständigkeit. Ich genieße das ehrlich gesagt sehr! Ich wurde schon gefragt warum ich mich nicht komplett selbstständig mache (von Selbstständigen) und, dass ich alleine von der Schokolade ja sicherlich nicht leben könnte (von Angestellten). Selbstständigkeit ist nicht für jedermann. Ich könnte das schon hinbekommen, es wäre natürlich noch Arbeit und zu meiner eigenen Sicherheit ein anständiger Businessplan nötig.
Ich habe mich aber gefragt – will ich das denn im Moment? Ich habe mit meiner Festanstellung einen wirklich extrem flexiblen Betrieb mit extrem flexiblen und verständnisvollen Vorgesetzten und flexiblen Kollegen gefunden. Würde ich heute sagen, dass ich die nächsten zwei Wochen für einen Großauftrag frei brauche, dann würde ich zu hören bekommen: ‚Klar, lass uns nach Ersatz für deine Dienste suchen!‘ Das haben wir schon hinbekommen! Das gibt mir maximale Sicherheit bei extremer Flexibilität. Der ‚Von sowas kann man ja nicht leben‘-Fraktion sage ich immer – schau dich doch mal um! Natürlich kann man ‚von sowas‘ leben. Das machen doch genügend Leute und ich lebe ja auch davon – aber eben nicht komplett. Ich empfinde diesen Mittelweg für mich persönlich im Moment als perfekte Lösung.
Ein Nachteil fällt mir jetzt doch noch ein: Man hat immer mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass man das ja nur zum Spaß macht, weil es eben nebenberuflich ist. Die wenigsten wissen, was tatsächlich an Arbeit, Erfahrung, Wissen und Durchhaltevermögen hinter einer nebenberuflichen Tätigkeit steht. ‚Du hast ja noch einen festen Job, wenn es mal nicht mehr läuft!‘. Alleine schon um die Betriebskosten decken zu können, kann ich mich auf meinen festen Job nicht verlassen, er deckt gerade mal einen Teil meiner privaten Kosten. Ein ‚Spaßgeschäft‘ ist es also allemal nicht mehr, auch wenn es natürlich Spaß macht.
Und jetzt aber zurück zum Schönen: was ist das tollste an der Kombination Festanstellung/nebenberufliche Selbstständigkeit?
Man gibt zum einen natürlich seine finanzielle Sicherheit nicht auf. Man ist sozialversichert und weiß jeden Monat genau was einem finanziell aus der Festanstellung zur Verfügung steht. Meine privaten Fixkosten finanziere ich beispielsweise weitestgehend aus der Festanstellung, den Rest fülle ich aus der Selbstständigkeit auf. Meine nebenberufliche Selbstständigkeit trägt sich komplett selbst und ich arbeite gewinnbringend. Ich habe eine feste Aushilfe, die mich bei Bedarf unterstützt, sowie meine Eltern die immer da sind wenn ich Hilfe brauche. Überschuss lege ich beiseite, bin so für Steuernachzahlungen und Investitionen gewappnet. Ich profitiere persönlich und finanziell von dieser beruflichen Konstellation.
Hand auf´s Herz: sich selbst zu motivieren, kann einem schon mal schwer fallen. Erst Recht, wenn man nur ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung hat. Wie organisierst du deinen Tagesablauf?
Einen festen Tagesablauf gibt es eigentlich nicht, denn jeder Tag ist anders. Ich plane in der Regel meine komplette Woche voraus, ohne meinen Kalender wäre ich verloren. Ich arbeite regulär vier Tage pro Woche in der Festanstellung und jeden Tag für chocolate valley. Ich setze mich mindestens einmal am Tag an den Rechner, auch wenn es erst abends ist und beantworte Mails, Anfragen, bearbeite Bestellungen und organisiere die kommenden Produktionen. Ein bis zwei Tage pro Woche verbringe ich Vollzeit (und oft auch länger) in der Produktion, wenn es sein muss auch öfter. ‚Nebenbei‘ mache ich das was ich schaffe. Einkaufen gehen, Zeit mit unserem Hund und natürlich meinem Mann verbringen, was man privat eben so macht. Einen Tag pro Woche versuche ich aber tatsächlich komplett frei zu machen. Das klappt je nach Auftragslage nicht immer und die Tage sind manchmal sehr voll, gerade im Weihnachtsgeschäft. Das hört sich so viel an, aber irgendwie funktioniert es so gut, dass mein Privatleben nicht darunter leidet. Ich verabrede mich genauso mit Freunden, lese mal ein Buch und starre auch mal nur an die Wand und atme.
Ich schätze, dass ich in das strukturieren und organisieren hineingewachsen bin und es verinnerlicht habe. Zudem konnte ich mich schon immer unheimlich gut selbst motivieren. Für mich persönlich ist das Geheimnis sich Erholungsinseln zu schaffen. Das musste ich auch erst lernen, weiß aber inzwischen, dass ich mit kleinen Erholungsphasen besser und produktiver arbeiten kann. Das muss kein ganzer Tag sein, eine halbe Stunde reicht zum Teil schon um den Akku aufzuladen. Ich setze mich zum Beispiel kaum mehr direkt nach der Arbeit an den Rechner, sondern mache erst einmal etwas für mich. Mit einer Freundin nach der Arbeit verabreden, Training oder spazieren gehen mit unserem Hund, mit meinem Mann quatschen oder kurz in der Sonne sitzen. Bei solchen Dingen kann ich wunderbar abschalten, das ist Zeit für mich. In stressigen Zeiten gestalte ich den einzigen freien Tag ganz bewusst und mache mir klar, was mir gut tun würde. Nicht immer nur powern, auspowern, sondern regelmäßig in kleinen dosen auftanken.
Welche Frage hättest du gerne gestellt, bevor du den Schritt in die nebenberufliche Selbstständigkeit gewagt hast? Und wie lautet deine Antwort darauf?
Ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich manche Dinge nicht wusste und einfach meistern musste. Step by Step bin ich dahin gekommen wo ich heute bin. Ich habe die eine Herausforderung gemeistert, dann die nächste, dann die nächste. Und auch mal eine Zeit lang gar keine. Man weiß eben nie, was eine Selbstständigkeit für einen bereit hält, genau so wenig, wie man weiß, was das Leben für einen bereit hält. Mein Papa hat etwas sehr kluges gesagt: Wenn man drin ist, muss man durch. Da hat er Recht. Man schafft es irgendwie wenn man muss – und will!
Und zuguterletzt: welchen Rat hättest du (oder hast du) gerne bekommen, bevor du dein Glück selbst in die Hand genommen hast?
Anfangen! Einfach mal anfangen und wenn es nur kleine Schritte sind. Die Dinge nicht zerdenken, sondern einfach machen, ganz egal ob es jetzt um ein Hobby, berufliches oder privates geht. Das mache ich eigentlich mit allem so, was ich anpacken will. Ich fange einfach an und gucke wie weit ich komme. Damit bin ich immer gut gefahren und theoretisch gibt es so auch keine Grenzen. Wenn was nicht klappt, lässt man es eben wieder sein. Ich spiele heute zum Beispiel fast keine Gitarre mehr, na und? Ist das schlecht, dass ich damit angefangen habe und es heute nicht perfekt kann und zum Teil aufgegeben habe? Finde ich nicht, wenn ich Lust habe nehme ich sie trotzdem noch in die Hand und freue mich über das, was ich noch kann und darüber wie viel Freude es mir immer noch bereitet. Was kann denn schon passieren? Die Welt wird sich immer weiter drehen, die Ampeln schalten auf grün und alles läuft irgendwie weiter.
Aus Scheitern kann man nur lernen und man hat es immerhin versucht. Das ist so viel mehr Wert als immer nur zu sagen ‚Irgendwann mache ich das!‘. Irgendwann bleibt in den meisten Fällen irgendwann und irgendwann ist irgendwann vorbei. Und wer weiß, vielleicht scheitert man ja gar nicht. Also einfach mal trauen. Alleine das Wissen, dass man alles ausprobieren kann, was man möchte, macht schon ziemlich zufrieden!
Meine Liebste, vielen Dank für die Zeit, die du dir für die Antworten genommen hast, danke für die beste Schokolade und vor allem auch dafür, dass du schon seit Jahren meine liebste Ansprechpartnerin für Selbstständigen-Themen bist.
Den Ansatz Einfach mal anfangen finde ich auch großartig und predige ihn seit Jahren. Keiner muss sämtliche Sicherheit aufgeben – wenn man den Drang hat, etwas zu starten, muss man nur den ersten winzig-kleinen Schritt gehen.
Habt es schön!
Nadine
Die Fotos sind von mir, die habe ich 2015 gemacht.
Falls ihr euch fragt, was es mit dieser Serie auf sich hat: hier könnt ihr nachlesen, um was es bei der #Jobliebelei geht.
P.S.: Falls du denkst, dass deine Geschichte zu einem Job, den du liebst, auch Mut machen könnte, meld dich bei mir! Ich freu mich auf eine kurze Mail mit dem Betreff Jobliebelei an nadine@dreierlei-liebelei.de mit einer Beschreibung, was du genau machst.
Jenny von jennyisbaking.com
Ein toller Artikel, sehr ehrlich und offen, mag ich und gibt mir Mut auch meine Ideen umzusetzen.
Nadine
Die Geschichte von Sandra berührt mich bisher am meisten. Vielleicht, weil ich letzte Woche persönlich kennen lernen durfte, oder weil das nebenberufliche Gründen gerade auch so perfekt zu meiner privaten Situation passt. Super inspirierend. Und die Schokolade ist sooo lecker <3
Sabrina
Ein toller Einblick in das nebenberufliche Schoko-Leben einer inspirierenden Künstlerin. 🙂
<3 sabrina
Rike
Danke für diesen spannenden Artikel- ich freue mich schon sehr auf weitere! Genau dieses Modell habe ich auch zur Zeit im Kopf und sehr viel Lust, es umzusetzen. Allerdings habe ich mich noch nicht entschieden, In welchem Bereich ich mich austoben möchte. Stimmt es, dass man die Festanstellung >50% machen muss, damit von ihr die Sozialabgaben getragen werden?
Liza
Der Artikel motiviert jemanden richtig Dinge anzupacken und einfach zu machen!
Liebe Grüße 🙂
Ideen für einen Junggesellinnenabschied – Dreierlei Liebelei
[…] individuell auf die Braut und Freundin zugeschnittenen Junggesellinnenabschied zu organisieren. Sandra, die eine der Beiden, ist mittlerweile verheiratet – ihr Junggesellinnenabschied liegt also schon […]
Laura
Hallo! Ich finde deinen Blog und speziell diese Kolumne super! Ich lese total gerne solche Geschichten, zumal ich mich eben auch mal selbständig mache (auch wenn es nicht so was mega kreatives und selbstverwirklichendes ist wie bei deinen Jobliebeleien – btw, könnten wir auch mal die langweiligen Jobs ehren?). Ein Thema liest man aber fast nirgends. Und zwar die Sache mit dem Familie gründen als selbständige Frau. Vielleicht könntest du ja mal irgendwo dieses Thema besprechen?
Herzlichste Grüße